Künstliche Intelligenz (KI) und Emotionen

by | 9. Oktober 2023 | Fanbeiträge

Der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Musikproduktion ist zu einem heißen Thema geworden. Oberflächlich betrachtet geht es um das Urheberrecht, doch darin verbirgt sich der Vorwurf, dass es für Künstler moralisch verwerflich sei, KI in der Produktion einzusetzen. Grund genug für einen Betroffenen, hierzu Stellung zu beziehen. Ich heiße Horst Grabosch und ich bin Buchautorin und Musikproduzentin am Entprima Publishing Etikette.

Als neugieriger Mensch, Produzent elektronischer Musik und ehemaliger Berufsmusiker und späterer Informationstechnologe war ich von der Entwicklung der Technologie bis zu dem Punkt, an dem sie ein nützliches Hilfsmittel war, mit der Nutzung von Maschinen/Computern beschäftigt. Am Anfang ging es im Wesentlichen um Notationstechnik, dann mit dem Aufkommen digitaler Audio-Workstations um die Produktion von Demos und ab 2020 um die gesamte Produktionskette elektronischer Popmusik. Der Einsatz von Maschinen ist also wahrlich kein neues Feld, und schon früh gab es Stimmen, die den Einsatz von Elektronik in der Musik verurteilten. Schon früher ging es um die „Seele der Musik“. Interessanterweise beschäftigten sich diese nostalgischen Kritiker kaum mit der Analyse dessen, was die „Seele der Musik“ überhaupt ausmacht. Dem gewöhnlichen Zuhörer war das egal, denn er nahm die Gefühle der Inszenierung so auf, wie er sie persönlich in der Inszenierung vorfand. Eine sehr weise Entscheidung, denn im Chor der musikalischen Sittenwächter fanden sich immer mehr absurde Aspekte, die ohne jede philosophische Grundlage zur Verdammnis aufriefen.

Da Popmusik stark von Stars geprägt ist, vermisste der Hörer mitunter auch ein menschliches Idol hinter den musikalischen Ergebnissen, was jedoch lediglich ein Marketingaspekt ist, der durch das Eintreffen von DJs auf den Bühnen zumindest in der elektronischen Tanzmusik vollständig kompensiert wurde. Mit der zunehmenden Verbreitung maschineller Unterstützung sahen Tausende von Hobbymusikern ihre Chance, Musik zu produzieren und auf den Streaming-Portalen zu veröffentlichen. Natürlich konnten die meisten von ihnen nicht einmal ein Badezimmer mit Fans füllen, und so blieben die Produzenten gesichtslos. Gesichtslose Figuren entziehen sich weitgehend der Kritik, doch einigen von ihnen gelang es sogar, in der völlig neuen Welt des durch Stimmungsplaylists getriebenen Soundkonsums einigermaßen Erfolg zu haben. Den vielen erfolglosen „gelehrten“ Musikern war der Neid ins Gesicht geschrieben. Viele sprangen auf den Zug auf, weil es für sie als ausgebildete Musiker natürlich noch einfacher war, elektronisch zu produzieren, die schiere Menge an Produktionen führte jedoch dazu, dass ihre Werke im Niemandsland versanken. Erschwerend kommt hinzu, dass die künstliche Intelligenz mittlerweile den Punkt erreicht hat, an dem sie im Handumdrehen komplette Songs inklusive Texten produzieren kann. Unter den Produzenten, die noch keine nachhaltige algorithmische Aufmerksamkeit erlangt haben, macht sich Verzweiflung breit, zumal zu befürchten ist, dass quasi jeder Songs auf den Markt werfen kann. Eine Horrorvision für alle Musikproduzenten.

Die meisten Hörer wissen gar nicht, was sich hinter den Kulissen abspielt, und es ist ihnen auch egal, Hauptsache, sie finden weiterhin genügend Songs für ihre Bedürfnisse, und davon gibt es mittlerweile Millionen in ihren Abo-Modellen. Allerdings sind diese Hörer die Zielgruppe der verzweifeltsten Produzenten. Sie können sich nun der immer größer werdenden Zahl der Mood-Sound-Maler anschließen oder Songs mit so viel Soul produzieren, dass sie aus der Masse herausstechen. Sie müssen hervorstechen genug, um sowohl das Fehlen eines echten „Gesichts“ als auch das Fehlen einer echten Charakterstimme auszugleichen. Wie das mit künstlichen Stimmen und Avataren möglich ist, haben die Japaner bereits eindrucksvoll gezeigt, was allerdings viel Rechenleistung und Programmierkenntnisse erforderte und entsprechend kostspielig war. Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz hat diesen Baukasten, oder die Büchse der Pandora, wie manche meinen, mittlerweile für jedermann zugänglich gemacht.

Es liegt an uns, was wir daraus machen. Wir brauchen keine Angst vor KI zu haben, denn sie macht nur das, was Produzenten schon immer gemacht haben, die erfolgreichen Vorbilder nachzuahmen und dabei möglicherweise neue Kombinationen zu finden – nur KI kann das in Sekundenschnelle. Produzenten, die sich auf diesen Weg begeben, müssen außergewöhnliche Ergebnisse liefern, aber mussten sie das nicht schon in der „guten alten Zeit“ tun, um erfolgreich zu sein? Was ist in dieser Hinsicht also neu?

Es ist der Weg zum Ergebnis, und darin liegt die wunderbare Chance, die uns die KI-gestützte Musikproduktion bietet. Als Produzent muss man sich nicht mehr lange mit genrespezifischen Produktionsdetails befassen, denn das kann die KI einfach besser, weil sie Millionen von Vorbildern auf ihren Erfolg hin analysiert hat. Das bedeutet, dass Sie sich ganz auf Ihre Absicht konzentrieren können, beim Zuhörer Gefühle auszulösen – und das war schon immer die Absicht von Musik. Sie müssen Ihre Geschichte gestalten und erzählen. Das bedeutet natürlich, dass Sie die KI nur teilweise in die Hand nehmen und niemals die Verantwortung für das Ergebnis abgeben. Ob Ihnen das dann gelingt, hängt nur von zwei Fragen ab. Möchte der Zuhörer in der Oberflächlichkeit der Gewohnheit bleiben oder ist er bereit, sich auf Ihre Geschichte einzulassen? Meiner Meinung nach eine sehr prägnante und fast philosophische Reduzierung musikalischer Erfolgsfaktoren. Was Werbung und Marketing betrifft, ändert sich fast nichts – fast. Mit dem Aufkommen von chatGPT bin ich auf den Zug der KI-gestützten Musik aufgesprungen und darf auf die Ergebnisse verweisen, die bereits als Singles veröffentlicht wurden und bald vollständig als Album veröffentlicht werden. Mich selbst haben die Lieder mehr berührt als bisher geschaffen. Angesichts der Intensität meiner persönlichen Eingriffe in die Lieder war das keine Zeitersparnis (und damit ist die Urheberschaft im Sinne des Urheberrechts klar), aber es hat meinen Werkzeugkasten als Geschichtenerzähler und Seelensucher enorm erweitert – und deshalb habe ich Ich werde sicher dabei bleiben.

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