#3Musix Space: LUST
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„Warum“ ist eine Frage, die oft gestellt, aber selten beantwortet wird. Ich möchte es hier einmal versuchen. Die ganze Frage könnte lauten: „Warum existiert dieses Buch?“ Fotos und Musik – oder Kunst im Allgemeinen – sollten doch für sich selbst sprechen, oder?“ Stellen wir uns einen Besuch in einem großen Museum vor. Bildende Kunst aus mehreren Jahrhunderten wird uns in Hülle und Fülle geboten – selbst für Kunstkenner eine große Herausforderung. Um uns dabei zu helfen, werden uns Führungen angeboten – vielleicht sogar mit einem thematischen Schwerpunkt, der das Angebot bewusst reduziert. Wenn wir wie eine Fliege an der Wand mit der Gruppe mitgehen, hören wir möglicherweise diesen Kommentar zu den Erläuterungen des Kunstführers: „Das ist aber interessant!“
Und genau das ist der Punkt. Niemand hat ein Interesse daran, Sie gegen Ihre spontane Reaktion von der Qualität einer Arbeit zu überzeugen. Schließlich gibt es für Kunst keinen objektiven Qualitätsstandard. Wenn solche Standards hier und da formuliert werden, dann sind sie immer nur als Hilfsmittel zu sehen und können auch durchaus widersprüchlich sein.
Die verbale oder literarische Rezeption von Kunst ist ein Versuch, den Geist für Dinge zu öffnen, die einem im Alltag vielleicht für immer verborgen bleiben würden. Vielleicht bereitet Ihnen ein tieferer Einblick sogar noch mehr Freude. Und dieses Buch möchte genau das tun. Ich möchte Ihnen den Zugang zu den Fotos und der Musik erleichtern, indem ich noch einmal beschreibe, was Sie tatsächlich sehen und hören können. Außerdem werde ich kurz den Entstehungsprozess jedes einzelnen Liedes und die Gedanken beschreiben, die mir vor, während und nach dem kreativen Prozess durch den Kopf gingen. Die Motivation hierfür entstand aus der Beobachtung, dass die enorm wachsende Informationsflut unsere Liebe zum Detail verschlingt. Darin sehe ich eine große Gefahr, die uns auf der Suche nach Vergnügen noch anfälliger für Manipulationen aller Art macht. – Audios plus Text – geschätzte Wiedergabezeit 2 Stunden.
LUST - Musikalbum & Buch
Covers
Die Geschichte des Projekts
Wie viele andere musikbegeisterte Jugendliche gründete mein Sohn Moritz damals eine Schulband. Wenige Jahre später entdeckte mein zweiter Sohn Julius sein Interesse für die Rockband „KISS“ und wünschte sich ein Schlagzeug. Nachdem er seine jugendliche Wut am Schlagzeuglehrer und dem Instrument abgebaut hatte, wandte er sich mehr Computerspielen zu. Moritz hatte einen etwas längeren musikalischen Atem und schaffte es, ein Diplom als „Executive Music Producer“ und eine Coverband samt mehrerer Eigenkompositionen zu ergattern. Er erkannte dann, dass der Weg zum Berufsmusiker mit vielen Härten verbunden war und entwickelte seine Talente in Richtung Businesscoaching. Als sich die Einnahmequellen deutlich auf die zweite Quelle verlagert hatten, gab er die Musik bis auf gelegentliche Gitarrenkäufe und „Guitar Hero Attacken“ in seiner Wohnung auf.
Die damaligen Ambitionen der Jungs hatten mich wieder mit der Musik in Kontakt gebracht, nachdem ich meiner früheren Liebe und meinem Beruf nach einem Burnout viele Jahre lang die kalte Schulter gezeigt hatte. 2021 hatte ich mich dann in die nun völlig neue Welt der Musik eingearbeitet und war zum Produzenten elektronischer Musik gereift. Nachdem ich einige alte Songs von Moritz als eine Art Dokumentation seiner jugendlichen Musikbegeisterung veröffentlicht hatte, schickte er mir 12 Soundtracks, die eines Tages als Playbacks für Songs seiner Band dienen sollten. „Vielleicht kannst du damit etwas anfangen“, waren seine Worte.
Ursprünglich sollte es so etwas wie eine musikalische Weltreise werden, allerdings ohne Melodie und Gesang, streckenweise nur an einigen charakteristischen musikalischen Elementen erkennbar. In Form und Tendenz waren es aber dennoch passende Erzählvorlagen. Die dazu passenden Geschichten mussten nur noch erfunden und erzählt werden. Da ich mich als „Geschichtenerzähler in Wort und Ton“ sah, war das tatsächlich eine sinnvolle Aufgabe.
Die Musikrichtung der Grundstücke war eindeutig „House“ mit der durchgehenden Kick-Drum und den typischen rhythmischen Elementen, die jeder House-Fan kennt.
Das war zwar nicht ganz mein Stil, aber als vielseitiger Produzent war das kein Ausschlusskriterium. Die Frage war, wie man auf die richtige Geschichte kommt, denn ich beginne meine eigenen Kompositionen immer mit einer Idee in Form eines Samens. Aber jetzt war der Samen schon eine junge Pflanze mit erkennbaren Charakterzügen.
Ich probierte dann die Ablenkung durch eine abstrakte Stimmung, der ich ein Foto zuordnete. Foto und Musik zusammen sollten dann die Geschichte ergeben. Und der Plan funktionierte tatsächlich – aber vor allem für mich.
Ich erkannte die Geschichte in den fertigen Liedern wieder, aber da die menschlichen Stimmen, die ich hinzugefügt hatte, im Wesentlichen lautmalerisch waren, gab es keine richtigen Texte.
Dieses Buch soll diese Lücke füllen. Das bedeutet allerdings, dass das Buch allein nur einen begrenzten Genuss bietet. Die ganze Geschichte entfaltet sich erst in der Kombination von Musik, Bildern und Erzählung. Die Erzählung beschreibt meine Vorstellungskraft zum Foto und die Entwicklung dieser Grundstimmung in der Musik.
Das Problem der Völkerverständigung durch unterschiedliche Sprachen beschäftigt mich schon lange. In den letzten Jahren hat sich hier dank Internettechnologien einiges getan. Die maschinellen Übersetzungen werden immer besser und auch ich nutze in einigen meiner Songs intensiv Maschinenstimmen. Gesang wird aber meist nur einsprachig gesungen, was vielen den direkten Zugang erschwert. Eine Veröffentlichung in mehreren Sprachen wäre viel zu aufwändig.
Dieses Buch erscheint auch in meiner Muttersprache, Deutsch. Es ist also nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber es ist ein Anfang.
Da Englisch derzeit die internationalste Sprache ist (auch bekannt als „Lingua Franca“), sind meine Songtitel meist auf Englisch, und dieses Projekt ist keine Ausnahme. Die Kapitelüberschriften sind die englischen Songtitel.
Glücklicherweise gibt es das Wort „Lust“ sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Das dazugehörige Album „LUST“ mit allen 12 Songs ist auf den bekannten Musikplattformen erhältlich.
Musikalische Begriffe werden im Anhang definiert und mit einer hochgestellten Nummer gekennzeichnet.
Mit dieser Darstellung ist das Problem gelöst. Lediglich der Anhang wird hier weggelassen.
Wir haben es geschafft
Moritz Grabosch – Basic Tracks
Horst Grabosch – Musikproduzent, Text
Über Musik und Text (Buch)
Die Kombination von Musik und Worten ist wahrlich nichts Ungewöhnliches. Der Gesang dürfte sogar der Ursprung der Musik sein, da er ohne Instrumente auskommt. Inwieweit diese Gesänge lautmalerischer Natur waren oder bereits auf bedeutungsvollen Texten basierten, wäre reine Spekulation. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Entwicklungsprozess.
Lediglich die Instrumentalmusik ist von der Musikwissenschaft anhand von Funden der ältesten Flöteninstrumente aus Knochen dokumentiert. Viel später wurden religiöse Gesänge überliefert und im Mittelalter dann unter anderem Minnelieder.
Die Minstrel Songs sind sozusagen die Vorläufer der heutigen Popsongs. Die erste Oper ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung komplexerer Songstrukturen und anderer Erzählformen mit Musik. Operette, Musical und weitere Formen lassen sich unter dem Begriff Musiktheater zusammenfassen. Mit der Entwicklung der Medientechnik kamen Musikfilm und Musikvideo hinzu.
Aus der klassischen Musik sind auch viele experimentelle Wort-Musik-Kombinationen entstanden. Üblich sind allerdings gesungene Texte innerhalb eines Liedes.
Was die heutige Form des Zusammenspiels von Wort und Musik betrifft, so sind auch sogenannte Programmmusiken (z. B. die Alpensinfonie von Richard Strauss) zu nennen, in denen Geschichten ohne Text erzählt werden. Allerdings handelt es sich dabei eher um Stimmungen, die musikalisch interpretiert werden. Der Zusammenhang ist für den Hörer durch Kenntnis der Geschichte eher schlüssig erfahrbar, wobei die Geschichte nicht detailliert erzählt wird, sondern vage bleibt.
Die diesem Buch zugrunde liegende Form entspricht am ehesten der Entstehung dieser Programmmusik. Bei der Alpensinfonie zeichnet Strauss ein musikalisches Stimmungsbild, das auf Naturerlebnissen beruht. Dabei handelt es sich um ein deutlich persönliches Leitmotiv.
Die Eindeutigkeit verschwindet jedoch, wenn ein anderer Komponist mit der Neuinterpretation der Musik beauftragt wird. Zwar findet er anhand bestimmter Merkmale (z. B. Titel oder Stil) Anhaltspunkte, seine persönlichen Erfahrungen können jedoch stark von denen des ursprünglichen Komponisten abweichen. Dies kann an einem anderen kulturellen Hintergrund, Alter oder sogar Charaktereigenschaften liegen. Ein Gewitter in den Alpen kann für den einen ein bedrohliches Erlebnis und für den anderen ein freudiges Abenteuer sein.
Als ich die zwölf Soundtracks erhielt, konnte ich die meisten der ursprünglichen Ideen wiedererkennen, aber nichts davon hatte etwas mit mir zu tun. Allerdings war die Musik formal so gut ausgearbeitet, dass ich die zeitliche Freiheit erkannte, die mir die Vorarbeit verschafft hatte. Es fehlte nur noch der Keim, der die Vorlage mit meiner Vorstellungskraft verband.
Da jede Publikation ein Cover braucht, kam ich auf die Idee, mit dem Titelbild zu beginnen. Als ich das erste Foto fand, wurde mir klar, dass dies der Schlüssel zur gesamten Serie war. Ich spürte die Resonanz der abgebildeten Szene mit meiner Seele – Sehnsucht würde das Leitmotiv sein.
Über 'Elektronische Musik' (Buch)
Meine erste Musikerkarriere endete mit 40 Jahren. Mit 63 Jahren beendete ich die lange Pause. Das Musikgeschäft hatte einen großen Wandel durchgemacht. Zwischen meiner ersten Vinylplatte und der letzten CD waren bereits viele Jahre der Entwicklung vergangen. Die Digitalisierung wirbelte dann noch einmal alles durcheinander.
Was die Produktionsmöglichkeiten anbelangte, spielte mir diese Entwicklung in die Hände. Ich war in meinem zweiten Beruf Informatiker und daher sehr gut mit Computern vertraut. Von diesen Produktionsmöglichkeiten hatte ich schon in meinem ersten Beruf geträumt. Nun waren sie da!
In meiner ersten Karriere war ich zu 90% als Musiker tätig und meine Kreativität blieb aufgrund der Notwendigkeit, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, auf der Strecke. In einer Rückschau, die ich in dem Roman „Der Seele auf der Spur“ festgehalten habe, kann ich heute sogar sagen, dass mein Kontakt zur Seele auf der Strecke blieb.
Mit den neuen Möglichkeiten der Musikproduktion konnte ich endlich kreativ sein und sogar problemlos veröffentlichen. Das galt natürlich auch für alle anderen Kreativen, was das Angebot enorm aufblähte und den Markt nahezu undurchdringlich machte. Nach einiger Zeit wurde mir jedoch klar, dass der Wettbewerbsgedanke im heutigen Musikmarkt in den Hintergrund treten muss, um nicht wieder Zeit mit Kreativität zu verschwenden.
Dennoch ist es unerlässlich, etwas Zeit in die eigene Vermarktung zu investieren, damit die eigene Arbeit überhaupt ein Publikum erreicht. Eine der Aufgaben besteht darin, die aktuelle Praxis von Spotify & Co. zu studieren, um das riesige Angebot irgendwie zu kategorisieren, damit die Kunden nicht komplett den Überblick verlieren. Und das geschieht mithilfe von Musikgenres.
Natürlich wächst mit dem Gesamtangebot auch die Zahl der Genres und die Genredefinition wird zunehmend problematischer. In welches Genre gehören meine Musikstücke? Mittlerweile habe ich für jedes Stück zumindest ein halbwegs passendes Genre gefunden. Aber jedes dieser Genres hat seinen eigenen Mainstream45 und ich passe nirgends so richtig rein. Ein klarer Wettbewerbsnachteil – aber ich wollte nicht mehr in Konkurrenz denken, um meine künstlerische Freiheit zu behalten. Also suchte ich nach der verbindenden Klammer. Da ich alles elektronisch produziere, war klar, dass es sich um elektronische Musik handelte. Das Genre „elektronische Musik“ hat sich allerdings seit den 1950er Jahren etabliert. Stilistisch hatte diese Musik aber nichts mit der elektronischen Popmusik zu tun, die sich in den 80er Jahren entwickelte.
Der Begriff „elektronische Musik“ hat also zwei Bedeutungsebenen. Zum einen die Art der Produktion und zum anderen eine stilistische Kategorisierung. Natürlich kann man es dabei nicht belassen und es gibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun. Ich habe mich in einem Artikel mit dem Titel „Elektronische Musik ist kein Stil“ positioniert. Die Art der Produktion scheint mir die eindeutigere Interpretation zu sein.
Diese Art der Produktion bringt auch einige stilistische Konsequenzen mit sich. Während von Musikern gespielte Musik immer an die stilistischen Fähigkeiten der Musiker gebunden ist, kann bei der elektronischen Musikproduktion auf ein enormes Arsenal an vorproduzierten und digitalisierten Klängen und Musikschnipseln zurückgegriffen werden. Dies hat eine enorme Sprengkraft hinsichtlich der stilistischen Abgrenzung.
Aus den unterschiedlichsten Gründen greifen viele Produzenten elektronischer Musik gerne auf Archive zurück, die dem heutigen Mainstream entsprechen. Der kreative Geist hingegen versucht, alle Möglichkeiten auszuloten. Für sie ist die gebotene Vielfalt geradezu paradiesisch.
Als „Eklektizismus“ werden jene Techniken und Methoden bezeichnet, die sich verschiedener Systeme (Stile, Disziplinen, Philosophien) bedienen und deren Elemente neu kombinieren. Bekannter ist sicherlich der oft synonym verwendete Begriff „Eklektizismus“, der für mich allerdings zu sehr Ideologie und Epoche statt Methodik suggeriert. Zudem ist dieser Begriff sehr eng mit einem Architekturstil des 19. Jahrhunderts verbunden. Aus dieser Zeit gibt es allerdings bereits eine Interpretation des englischen Architekten George Gilbert Scott, der ein allgemeines Prinzip erkannte: „Eklektizismus an sich ist ein gutes Prinzip, nämlich aus der Kunst aller Art die Elemente zu leihen, mit denen wir den Stil bereichern und vervollkommnen können, den wir gemäß unserem Plan als unsere Basis und unseren Kern identifiziert haben.“ Besonders lobenswert finde ich Scotts Ansatz, die Persönlichkeit des Künstlers in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen (mein Plan, meine Basis, mein Kern).
Aus dieser klugen Perspektive habe ich für meine Musik ein Genre entwickelt, das ich „Eclectic Electronic Music“ nenne. Ich habe bereits eine Reihe von Musikproduzenten gefunden, deren Musik diesem Ansatz folgt.
Beste Zeiten
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Es ist kein Zufall, dass „Best Times“ der erste Titel des Albums ist. In gewisser Weise ist es der Trailer für die Geschichten, die folgen. Unter den guten Zeiten gibt es die besten, die hier präsentiert werden.
Bei der Suche nach einem geeigneten Coverbild für diesen Song habe ich eine Arbeitsweise entwickelt, die ich dann während des gesamten Projekts beibehalten habe: die Entwicklung einer Geschichte durch die Interpretation eines Fotos.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Drei junge Frauen laufen freudig dem Strand entlang einem verheißungsvollen Abend entgegen. Sie halten Fackeln in die Dämmerung der untergehenden Sonne. Vielleicht haben sie schon einen Plan für den Abend und die Nacht, aber der Moment selbst macht sie glücklich. Es weht kein Wind und die Temperatur ist noch angenehm. Eine über den Kopf geworfene Jacke genügt, um der Kälte der nahenden Nacht zu trotzen. In ihrer Fantasie entsteht Musik.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Über einem sich steigernden Rhythmus ist eine sanfte Männerstimme zu hören. Sie ist rufend, aber nicht aufdringlich. Die Stimme verstärkt die unverbindliche, erwartungsvolle Stimmung der Frauen.
Der Rhythmus nimmt Fahrt auf und Akkorde vom Klavier prägen den Song. Eine tiefe Flötenstimme verstärkt den Zauber der unschuldigen Erwartung. Die Männerstimme wird melodiöser und singt vom bald aufgehenden Mond („Luna“).
Der Einsatz einer Gitarre legt den Grundstein für das Lied, das nun zum Tanzen auffordert. Die Männerstimme wird fordernder, bleibt aber romantisch zart. In einem Zwischenspiel wird noch einmal der Mond besungen und die Flöte steigt in höhere Register auf. Sie übernimmt die Melodieführung.
In einem weiteren Zwischenspiel erklingen Glöckchen, die wie leuchtende Glücksboten vom dunkler werdenden Himmel herabregnen. Die folgende tanzbare Passage fasst das Versprechen einer glücklichen, zärtlichen Nacht zusammen. Den Schluss leitet ein „Glockenregen“ ein. Ein tiefer Flötenton verklingt und die Akkorde der Begleitung verschwinden im Dunkel der Nacht.
Gedanken (Buch)
In allen Songs dieses Albums geht es um Versprechen. Es geht nicht so sehr darum, was passiert, sondern darum, was passieren könnte. Fantasie ist wohl eines der schönsten Dinge, die wir Menschen erleben können. Unsere Fantasie basiert auf Erfahrungen, lässt aber die im Versprechen erlebten Enttäuschungen außen vor. Fantasie prüft auch nicht die Realität der Vorstellungskraft. Kunst ist ein idealer Raum für Versprechen. Sie idealisiert und bleibt dabei unscharf.
Jedes Kunstwerk ist ein Märchen und hat die Kraft zu verzaubern. Ich versetze mich in die drei jungen Frauen auf dem Foto und spüre ihre Sehnsucht nach der Schönheit, die der Abend bringen würde. Es geht dabei nicht um individuelle Erwartungen, denn diese können sehr unterschiedlich sein. Es geht um ihre gemeinsame Sehnsucht, die sie in diesem Moment vereint.
Eisige Tage
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Die instrumentale Vorlage zu diesem Titel beginnt mit einer abstrakten, kristallinen Klavierfigur. Ich hatte sofort die Assoziation von Kälte und hatte sehr schnell das passende Foto gefunden.
Der Titel war fast offensichtlich. Die Einleitung ist sehr lang und atmosphärisch, bevor sich das Lied harmonisch und melodisch entwickelt.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Ein glitzernder Eisberg gleitet an einer verschneiten und bergigen Küste entlang. Es ist ein sonniger Tag und weiße Schleierwolken ziehen am Himmel vorbei. Die Gebirgsketten verschwimmen am Horizont zu einem Gemisch aus Wolken und Nebel. Der Eisberg spiegelt sich im ruhigen, glitzernden Wasser. Das Stahlblau des Himmels und das etwas dunklere Blau des Wassers spiegeln sich im Grünblau von Teilen des Eises wider. Die Stimmung ist eher friedlich als bedrohlich.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Eisig klingt eine Klavierfigur in mittlerer bis hoher Lage, die sich ostinato durch die gesamte Einleitung zieht. Die an- und abschwellenden Klänge von Stimmen und Instrumenten symbolisieren die grundsätzliche Bedrohung durch das Eis. Ferne Frauenstimmen neutralisieren diese Bedrohung allerdings bereits ein wenig. Eine prägnante Bassfigur bringt Rhythmus in die Szenerie. Schrille Klänge imitieren das Geräusch von knackendem Eis. Tamburine geben ein Tempo vor. Mit dem Einsatz der Trommeln entwickelt sich ein Groove, der von splitternden Klängen und tieferen Klangflächen begleitet wird. Auch die fernen Frauenstimmen sind nun rhythmisch und hauchen der zunächst starren Szenerie Leben ein.
Helle Glockenklänge verbreiten Zuversicht in dieser feindseligen Welt. Nun sind im Hintergrund auch tiefe Männerstimmen zu hören. Der Rhythmus bricht ab und die Frauen antworten auf die Männerstimmen mit den ersten melodischen Fragmenten des Liedes. Das Leben erwacht.
Das Lied öffnet sich nun in eine schlichte, aber wunderschöne Harmoniefolge, der die Frauen mit betörendem Gesang folgen. Eine Atmosphäre von Zuversicht und Liebe erfüllt die einstmals kalte Szene. Ein entferntes, seltsames Blasinstrument tritt in den Zauber ein, bevor ein massives basslastiges Ostinato den Reigen beschließt.
Gedanken (Buch)
Auch an solch eisigen Orten kann sich Leben und Liebe entwickeln. Allerdings verschwindet die Gefahr nicht wie im Märchen, sondern wird vielmehr von der Schönheit überschattet.
Es erwacht ein ambivalentes Lebensgefühl. Menschen, die in klimatisch angenehmen Regionen leben, sind oft fasziniert von lebensfeindlichen Landschaften. Sie erkennen nicht, welches Leben sich dort trotz aller Widrigkeiten durchgesetzt hat. Noch weniger verstehen sie die menschlichen Kulturen, die sich dort entwickelt haben.
Eine philosophische Definition des Lebens beschreibt es als „Transformator der Umwelt“. Das Lebewesen nimmt die Umwelt mit seinem Atem und seiner Nahrung auf und transformiert die Umwelt durch die im Körper erzeugte Energie.
Dieser Transformationsprozess dauert an, solange es Leben gibt. Dabei entstehen Gemeinsamkeiten, aber auch Gegensätze. In Polargebieten atmen wir beispielsweise kalte Luft ein, erwärmen sie im Körper und atmen erwärmte Luft wieder aus. In heißen Wüsten passiert genau das Gegenteil.
Das Ziel ist jedoch immer ein Mittelweg, der wiederum Energie für andere Transformationen freisetzt, die wir für die spirituelle Transformation der Menschheit dringend benötigen. So sollten wir uns immer freuen, wenn wir Leben finden und es nicht gedankenlos auslöschen.
Indische Rutsche
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Zu Beginn der instrumentalen Vorlage dominieren Schlaginstrumente. Als erfahrener Musiker erkannte ich sofort die indische Tabla. Das reichte mir als Entscheidung, dass diese Geschichte in Indien spielen sollte.
Auch war mir klar, dass meine hinzugefügten Stimmen nicht immer der perfekten westlichen Intonation entsprechen würden. Auch hier entschied ich mich für das elektronische Blasinstrument EWI, bei dem man die elektronischen Klänge mit dem Atem steuert.
Mir war sofort klar, dass das Foto eine Kultstätte zeigte. Ein so inspirierendes Foto zu finden, gab mir das nötige Selbstvertrauen, an dem Song zu arbeiten.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Es waren die Farben des Fotos, die mich als erstes gepackt haben. Eine unwirkliche Mischung aus Pink, Lila, Orange und Gelb. Ein pastellfarbener Himmel bei Sonnenuntergang. Da „Indian Slide“ der erste Song war, an dem ich mitgearbeitet habe, war er auch die stilistische Vorlage für alle nachfolgenden Cover.
Im Vordergrund des Fotos sind die grasbewachsenen Ruinen eines kleinen Tempels zu sehen. Die Ruinen von Hampi, wie ich später herausfand. Ein indischer Anblick in einer seltsamen Landschaft. Bizarre Steinhaufen und kleine Berge ragen zwischen üppiger Vegetation empor.
Der Blick durch das Tor des kleinen Tempels zeigt einen breiten Weg, auf dem noch ein paar winzig wirkende Menschen im gelblichen Schein bereits eingeschalteter Lampen wandeln. Dahinter steht eine weitgehend intakte, wie bemalt wirkende Steinpagode – gekrönt von einer kleinen weißen Lichtquelle. Der Verfall alter Kulturen und florierender Tourismus ist einer der typischen Widersprüche Indiens.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Bevor die Tablas einsetzen, erzählt eine männliche Stimme etwas über ein „Ich“. Die dafür verwendeten gesampelten Stimmen pendeln immer zwischen lautmalerischen Passagen und teilweise verständlichen englischen Satzfragmenten, die eigentlich keinen Sinn zu ergeben beanspruchen. Die Arbeit mit diesem elektronischen Klangwerkzeug gleicht dem Zusammensetzen eines Puzzles, dessen Ergebnis der Fantasie des Komponisten entspringen muss. Für einen Klangmaler spielt die sprachliche Verständlichkeit eine untergeordnete Rolle. Bei den hier besprochenen Liedern handelt es sich nicht um Lieder, denen ein zusammenhängender Text zugrunde liegt (übrigens ergeben viele bekannte Lieder bei genauerem Hinhören keinen klaren Sinn). Daher ist die Geschichte des Liedes auch über Sprachbarrieren hinweg verständlich.
Im Zusammenhang mit dem Thema Indien bekommt dieser Aspekt eine besondere Bedeutung. Die ursprüngliche Hindi-Sprache in Indien wurde während der englischen Kolonialzeit für längere Zeit zurückgedrängt. Mit viel Fantasie ergibt sogar der einigermaßen verständliche Satz „Sag nicht, dass ich ein Ego habe“ für Indien einen Sinn. In Gandhis Reden und Schriften wird häufig die geschundene Identität des indischen Volkes thematisiert.
Über den schnell etablierten Beat kommt nun eine Instrumentalpassage, die so zwiespältig daherkommt wie das Indienbild. „Indian Slide“ kann „indischer Schlitten“ oder – hier passender – „indische Rutsche“ heißen. Und wie auf einer Rutsche gleiten die Klänge dahin. Auch die männliche Stimme hat etwas „Kaputtes“. Die ebenfalls eher zurückhaltenden Frauenstimmen singen: „Send me your love“. Auch das ergibt am Ende durchaus Sinn.
Ohne weitere musikalische Auflösung gleitet das Lied dann fast meditativ einem Ende entgegen, das der Dämmerung des Fotos entspricht.
Gedanken (Buch)
Ein kreativer Prozess kann viele Formen annehmen. Im besten Fall basiert er auf Übung und Erfahrung, um ohne Brüche zum Endergebnis zu gelangen. Trotz aller Routine ist es jedoch immer ein komplexer Prozess, der auch Zweifel und nachträgliche Korrekturen mit sich bringt.
Alle hier besprochenen Songs sind von Anfang bis Ende aus einem Guss entstanden. Da ich noch nie in Indien war, basiert natürlich alles auf einer ganz persönlichen Vorstellung von Indien. Deshalb habe ich im Nachhinein noch etwas recherchiert, um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, ich liege völlig falsch.
Vor allem Ghandis Texte und viele Fotos und Filme bestätigten meinen emotionalen Blick auf den Subkontinent. Auch nach der Recherche bleibt Indien für mich ein rätselhaftes Land und genau das spiegelt sich in der Musik wider.
Kubanische Hoffnung
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Die Grundlage dieses Liedes bezog sich immer auf Kuba und ich habe die Fantasie dort gelassen. Ursprünglich besang das Lied das kubanische Feuer der Lebensfreude („Cuban Fire“), aber angesichts der politischen Situation habe ich etwas Wasser in den Wein gegossen und die Hoffnung in den Vordergrund gerückt.
Aber es bleibt eine optimistische musikalische Geschichte. Wenn ethnische Musikstile von westlichen Musikern interpretiert werden, hat das oft etwas von imperialistischer Aneignung an sich. Im schlimmsten Fall bleibt nur eine fade Imitation des Originals übrig.
Meine Lösung, um diesem Dilemma zu entgehen, ist eine weitgehende Verfremdung des Stils, die Elemente des Originals in eklektischem Sinne zu einem neuen Stil zusammenfügt. Dies ist bei der ursprünglichen House-Musik bereits geschehen, ich habe die Schraube jedoch noch ein wenig weiter angezogen.
In den teilweise verständlichen Gesangseinlagen geht es erneut um das Werben um die Liebe – ein Leitmotiv der gesamten Serie. Dass es dabei immer um das Werben zwischen Mann und Frau geht, hat rein dramaturgische musikalische Gründe. Die beiden Teile eines Liebespaares sind mit männlichen und weiblichen Stimmen einfach besser erkennbar.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Ein Mann mittleren Alters, der aufgrund seiner Hautfarbe eindeutig ein kubanischer Einwohner und kein Tourist ist, fährt mit einem Cabrio die Küste entlang. Es ist sonnig, aber die Farben sind seltsam blass. Feuchte Luft und Wolken liegen im Hintergrund über dem Meer und färben den Himmel von grauweiß bis blassviolett. Die verblasste rosa Farbe des alten amerikanischen Autos korrespondiert sehr gut damit.
Der Mann streckt seinen Arm in den Wind. Sein weißes Hemd, eine durchaus wertig wirkende Armbanduhr und der makellose Strohhut drücken Stolz auf seine für Landesverhältnisse offenbar recht gute finanzielle Lage aus. Er scheint genügend Muße zu haben, um den Tag bei einer kleinen Autofahrt zu genießen. Im Autoradio läuft möglicherweise der kubanische „Son“ des Altmeisters Rubén González Fontanills.
Der Mann hat es in die kubanische Mittelschicht geschafft und hofft, dass sein Land eines Tages in neuer Schönheit erblüht. Vielleicht träumt er auch von den kubanischen Frauen, die er abends zum Tanz auffordern wird.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
In der Einleitung wird über einen rhythmischen und hellen Synthesizersound das Tempo des Liedes etabliert. Im Hintergrund summen fröhliche Männerstimmen. Es entsteht eine gedämpfte, optimistische Stimmung. Nach und nach setzen die Rhythmusinstrumente ein, bis ein Klavier das Hauptmotiv der Begleitstimmen vorbereitet und von einer Frauenstimme dorthin geführt wird.
Das Hauptmotiv wird durch das Klaviersolo eingeleitet. Wiederum leitet eine Frauenstimme den Einsatz der gesamten Rhythmusgruppe ein. Eine Männerstimme antwortet auf den Ruf der Frau mit dem Einsatz. Es entsteht ein Dialog, der erkennbare englische Wörter enthält, hier aber nicht als bedeutsamer Text verwendet wird. Dennoch kann man mit gutem Willen Bedeutung hineininterpretieren.
Die freche Mädchenstimme sagt: „Baby, du hast mich dazu gebracht, ja zu sagen.“ Der Mann antwortet: „Wenn deine Mama dir sagt, wie du dich zu benehmen hast.“ Ein koketter Dialog zwischen den Geschlechtern. Danach wird es wieder weitgehend lautmalerisch. Man könnte noch die Frauenstimmen hören: „Hör nicht auf zu fühlen“. Das würde auch Sinn ergeben.
Viel wichtiger ist das Timbre der Stimmen. Eine eher freche, mädchenhafte Stimme und eine dominante, aber nicht brutale Männerstimme – eher wie ein strenger, reifer Mann – vielleicht der Mann vom Titelbild? Es ist ein zweideutiges Spiel. Das Mädchen ist verführerisch, aber der reife Mann kennt seine Grenzen und genießt das Spiel als solches.
Im Hauptteil trägt eine Gruppe Männer das Hauptmotiv der Originalfassung vor. Auch der Gesang ist lautmalerisch und basiert auf spanischen Wortfetzen. Frauenstimmen summen mit. Dann beginnt die Party und die Männer und Frauen tanzen in den karibischen Sonnenuntergang. Sie sind voller Hoffnung auf eine glückliche Zukunft auf ihrer schönen Insel.
Gedanken (Buch)
Kuba ist nicht das einzige Land, das im Konflikt zwischen Kommunismus und Kapitalismus zerrissen wurde. Wie so oft begann es mit dem Sturz eines korrupten Diktators, der sich zum Vasallen einer Weltmacht gemacht hatte, um seine geopolitischen Interessen durchzusetzen. Es ist immer das gleiche Spiel mit unterschiedlichen Spielern.
Ebenso vorhersehbar ist die Ideologie des Unterstützers des Putsches, der immer die Gegenseite vertritt. Der Kommunismus putscht gegen den Kapitalismus und umgekehrt. Die Interessen des Volkes bleiben dabei Nebensache. Nach dem Putsch muss die neue Macht gesichert werden, das Volk träumt jedoch von einer Verbesserung der Lebensbedingungen. Zunächst verkündet die neue Macht goldene Zeiten, bis die freudige Erwartung des Volkes in Gleichgültigkeit umschlägt und die Hoffnung nur noch von Träumen genährt wird.
Diese Träume müssen von uns Barden bewahrt werden, damit die Menschheit nicht in Verzweiflung versinkt.
Fröhliches Fest
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Happy Fiesta ist eine Fortsetzung unserer Reise nach Lateinamerika. Auch dieser Song basiert auf lateinamerikanischen Rhythmen. Man könnte „Happy Fiesta“ als Fortsetzung von „Cuban Hope“ unter stabilen politischen Verhältnissen sehen. Die Protagonisten sind zwar nicht reich, aber so wohlhabend, dass sie sich ein üppiges Barbecue leisten können. Die Originalkomposition existierte bereits in zwei Versionen, die als Tanzmusik konzipiert waren.
Es gab keinen Grund, etwas zu ändern. Von allen Stücken des Albums ist „Happy Fiesta“ dasjenige, das ich musikalisch am wenigsten ergänzt habe. In meiner Vorstellung habe ich den Zeitpunkt des Ereignisses einfach nach vorne verlegt. Das passte auch gut zum Leitmotiv: Versprechen – Sehnsucht.
Nun ist das Grillen vor dem Tanzen der Zeitpunkt der Szene. Die Männer bereiten das Grillgut vor und sind voller Vorfreude auf den Abend und die Nacht. Die Frauen sind noch unter sich. Das Werben hat noch nicht begonnen.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Die Schwierigkeit bei der Suche nach einem Grillfoto bestand darin, dass die Region des Geschehens erkennbar sein sollte. Schließlich sieht gegrilltes Fleisch überall gleich aus. Unter dem Suchbegriff „Mexiko“ fand ich dann das passende Foto.
Eine Paprika und ein riesiges Steak brutzeln auf einem offensichtlich selbstgebauten Eisengrill. Die rote Farbe des Grillunterteils entspricht dem Rot der Paprika. Die Farbe des oberen Grillteils ist durch häufigen Gebrauch bereits verschwunden und das stark patinierte Schmiedeeisen mit hübschen Verzierungen ist sichtbar.
Eine Hand mit Grillzange wendet das Fleisch. Im Hintergrund steht ein Tisch mit einem alten Wolf oder Fleischwolf, der als Behälter für Obst und Gemüse dient. Daneben ist verschwommen eine türkisfarbene stehende Figur zu erkennen. Die Farben symbolisieren pure Lebensfreude.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Ein an lateinamerikanische Musik erinnerndes Klaviermotiv leitet den Song ein. Congas und Bongos begleiten das Klavier. Eine leidenschaftliche Männerstimme singt mit dem akustischen Kontrabass das erste Gesangsmotiv. Als das Schlagzeug einsetzt, antwortet eine Gruppe Männer mit den verständlichen englischen Worten: „Gimmie one more shot, baby, baby.“ Man könnte es hier als gesungene Einstimmung auf die später geplante Tanzparty interpretieren. „Baby, give me one more shot.“
Die Idee gesungener männlicher Gedanken zur anschließenden Party zieht sich durch das gesamte Lied.
Nach einem freudigen Arpeggio singt eine weitere männliche Solostimme verständlich: „What you say, no matter what you say …“. – „Es ist egal, was du sagst …“. Wir werden Spaß haben.
Nun folgt ein Instrumentalteil, und es erklingen die für die mexikanische Mariachi-Musik typischen Trompeten. Eine eher nachdenkliche musikalische Einlage macht deutlich, dass wir uns permanent im Fantasiemodus befinden.
Nun singt die Männergruppe erneut das „Gimmie One Shot Motiv“ und leitet den nächsten instrumentalen Tanzabschnitt ein. Eine verständliche Männerstimme singt: „In the air“, und darauf folgt ein weiterer, eher nachdenklicher Instrumentalteil. Ja, es liegt in der Luft, aber es passiert noch nicht!
Gegen Ende des Songs manifestiert sich langsam die Fantasie und es wird ausgelassener. Verzerrte E-Gitarren setzen surreale Akzente. Das wird eine Party ohne Folk!
Gedanken (Buch)
Erst nach und nach wurde mir klar, welches Leitmotiv die Sehnsucht hinter diesem Projekt war. Mit diesem Song war es für mich zumindest vage wiedererkennbar.
Das künstlerische Verschieben von Bedeutungen ins Unscharfe half mir auch beim Komponieren der Musik. Da mein Arrangement ausschließlich elektronisch produziert wurde, war ich auf vorproduzierte Gesangsschnipsel angewiesen, die teilweise auf verständlichen Worten basierten. Diese so einzusetzen, dass sie nicht völlig am Bild vorbeigingen, war eine Herausforderung, die ich nur mit viel Fantasie erfüllen konnte.
Ziel war es, die Grenzen der profanen Wirklichkeit im Kunstwerk aufzubrechen. Im Fall von „Happy Fiesta“ war es die Szene einer Party, die mit einem Barbecue der Männer beginnt und hoffentlich in einer ausgelassenen Tanzparty endet – der Ausgang bleibt im Song jedoch offen.
Hot Water
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Um beim Durchhören des Albums für musikalische Abwechslung zu sorgen, erscheint hier „Hot Water“, aber es war das letzte Lied, an dem ich gearbeitet habe – und es war die schwierigste Aufgabe.
Mit der vorgegebenen instrumentalen Vorlage konnte ich zunächst nicht viel anfangen. Meine Fantasie hatte Mühe, eine passende Szene zu finden, da die Musik sehr abstrakt war. Dann griff ich auf die Methode der Inspiration durch ein Foto zurück. Ziellos suchte ich in Landschaftsfotos – stundenlang.
Dann blieb ich an einem Foto aus Island hängen, auf dem Touristen einen Geysir bewundern. Das Foto war ein typischer Touristen-Schnappschuss und nicht im Geringsten inspirierend, aber der Geysir war beeindruckend. So konnte ich gezielt auf die Suche gehen und fand schließlich das atemberaubende Foto, das auf dem Cover abgebildet ist.
Die Geschichte stand fest. Es geht um die Kraft der Natur und um Demut.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Als ich das Foto zum ersten Mal sah, fragte ich mich zunächst, ob es sich um ein echtes Foto handelt. Nein, das ist es natürlich nicht. Der Sternenhimmel ist nachempfunden und ist ein NASA-Foto.
Ist der Geysir echt? Ja, es ist Strokkur in Island. Die Farben wurden wahrscheinlich stark bearbeitet, aber das mindert den Reiz des Bildes für mich nicht. Schließlich verwende ich in meiner Musik auch digitale Techniken, die nichts mit „guter alter handgemachter Musik“ zu tun haben. Schließlich schreiben wir das Jahr 2022 im digitalen Zeitalter!
Die tief stehende Sonne färbt das Geysirspektakel in einen unwirklichen goldenen Farbton. Im Hintergrund ist noch der Wasserdampf eines weiteren Geysirs zu sehen. Das Wasser ist heiß und der Weltraum eiskalt.
Der Weltraum mit seinen Sternen erscheint in Blautönen und eine blassrosa Farbe zeichnet einen kreisrunden Nebel in den Himmel. Eine modernere Ehrfurcht vor der Natur ist fast unmöglich. Die Natur ist mächtig und weitgehend unverständlich.
Die Wasserfontäne ist deutlich länger ausgesetzt und erscheint wie eine Wolkenpyramide. Wasser, Dampf und Weltraumnebel verschwimmen zu einem beinahe formlosen Farbspiel.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Ein tiefes Streichinstrument setzt akzentuierte Töne auf die vollen Schläge des Rhythmus. Der Tonraum und das Tempo der Musik werden vorgezeichnet. Eine Frauenstimme in einem entfernten Raum legt eine wortlose Melodie darüber. Rhythmische Begleitinstrumente füllen den Klang, bevor eine Roboterstimme eine neue Melodie intoniert. Ein Schlagzeug bildet die rhythmische Basis des Liedes.
Synthetische Streicher und Flöten legen Motive über den Rhythmus der Trommeln. Es entsteht eine geheimnisvolle Mischung aus entfernten Stimmen, synthetischen Orchesterinstrumenten und originalen elektronischen Klängen.
Dann bricht der Geysir aus. Unter dem Klang der Eruption setzt ein Klavier ein neues Motiv. Nach der Eruption intoniert eine Gruppe von Flöten Akkorde, über denen Arpeggios einer Klarinette erklingen. Ein elektronischer Bass hat von Anfang an die Rolle des tiefen Streichinstruments übernommen.
Es folgt ein zweiter Ausbruch. Das zuvor etablierte Klaviermotiv wird als Ostinato mit dem Schlagzeugrhythmus fortgeführt. Das Ostinato deutet an, dass diese Ausbruchssequenz endlos weitergeht. Nach dem Ausbruch spielt eine Klarinettengruppe unisono ein energisches, rhythmisches Motiv, über dem erneut das Arpeggio der Soloklarinette zu hören ist, bevor Synthesizer zum Ende des Liedes führen, das mit einer verträumten Frauenstimme endet.
Gedanken (Buch)
Wie übersetzt man das Wunder der Natur in Bild und Ton? Dem Schöpfer des Bildes ist es gelungen, die immense Schönheit der Natur mithilfe einer künstlerischen Übertreibung in Szene zu setzen. Die Musik sollte dies aufgreifen, ich wollte jedoch den Aspekt der Demut hinzufügen.
Die wunderschönen Frauenstimmen habe ich zum Glück in einer Sammlung gefunden und musste sie nur noch akustisch in einen geheimnisvollen Raum stellen, aber das ist eben nur technisches Handwerk. Schwieriger war es, die instrumentale Grundlage zu schaffen.
Die musikalische Vorlage hatte mit dem Ostinato9 und der recht abstrakten Klavierfigur bereits genügend Symbolik für die Unendlichkeit der Natur geliefert. Für die übrigen Stimmen galt es, ein profanes Muster für die musikalische Untermalung einer Naturdokumentation zu vermeiden.
Die Roboterstimme korrespondierte gut mit der digitalen Bearbeitung des Fotos. Kosmische Synthesizerklänge waren deutlich zu hören, aber genau die Musterfalle, in die ich nicht tappen wollte. Mit den Flöten und Klarinetten fand ich eine befriedigende Lösung.
Das Einfügen klassischer Orchesterinstrumente in elektronische Musik ist ein eklektisches Mittel, und ich bin ein bekennender Eklektiker. Der Ruf nach Originalität in den verwendeten Elementen ist meiner Meinung nach ein Pop-Tanz.
Schließlich haben große Talente die von mir verwendeten Sounds gekonnt programmiert oder als Samples aufgenommen. Sie nicht zu verwenden, weil man einem Pop-Dance hinterherjagt, ist fast schon respektlos.
Mystisches Land
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Ähnlich wie „Hot Water“ hat „Mystic Land“ eine Grundlage, die nicht spontan eine konkrete Geschichte in mir auslöste. Allerdings visualisierte ich schnell eine geheimnisvolle Landschaft. Dadurch war der Titel schon da, bevor das Foto entstand.
Im Zeitalter moderner Bildbearbeitung ist es in der Regel nicht mehr besonders schwierig, Landschaftsfotos zu finden, die durch die Bearbeitung der Farben eine surreale Wirkung erzielen.
Dann fand ich das fertige Foto, in das die Umrisse zweier Vögel eingefügt waren. Ich war sofort begeistert davon, dass der Eingriff offensichtlich und kreativ war. Die ohnehin schon mysteriöse Landschaft wurde dadurch noch verstärkt.
Dies entsprach meinen Vorstellungen und verlieh dem Foto das Prädikat „passend“.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Das Foto wird von Baumkronen unter einem cremefarbenen Himmel mit blassvioletten Wolkenakzenten dominiert. Ich würde den Wald als Dschungel beschreiben.
Die sichtbaren Lichtakzente in den Baumkronen sind größtenteils unwirklich und könnten das Ergebnis nachträglicher Bildmanipulation sein. Auch der Himmel weist eine fast absurde Farbgebung auf, so etwas habe ich jedoch selbst schon erlebt. Die Natur ist zu unglaublichen Farbspielen fähig.
Der Wald liegt meist im Schatten, doch das Sonnenlicht in der Ferne erzeugt eine leuchtende Kerbe im Wald. Jede andere Beschreibung als „mystisch“ für diese Landschaft wäre untertrieben.
Die Schatten der beiden Vögel sind das Tüpfelchen auf dem i. Sie erinnern an Folie, die auf große Glasflächen geklebt wurde, um zu verhindern, dass sich echte Vögel das Genick brechen. Auch das Größenverhältnis zu den Bäumen hat keinen Anspruch auf Realismus.
Ob diese Fotomontage der klägliche Versuch eines Dilettanten ist, kann ich nicht beurteilen. Aber die sogenannte „naive Malerei“ hat mittlerweile auch den Weg in die Museen gefunden. Deshalb halte ich es für völlig überflüssig, mich mit dieser Frage zu beschäftigen. Das Gemälde hat mich angesprochen – das ist, was zählt.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Die Originalmusik hatte eine recht lange Einleitung, die nur von einem Fender Rhodes und einem Schlagzeug gespielt wurde – ein großes Vergehen in Zeiten immer kürzerer Hits. Die Frage war, ob man diese Einleitung für einen größeren Unterhaltungswert zwangsweise kürzen oder vielleicht doch kürzen sollte.
Ich habe mich für Ersteres entschieden, allerdings in einer subtilen Version. Ich habe Perkussion und ein Ostinato auf einer Note hinzugefügt, die das Stück sozusagen langsam wie eine Uhr aufzieht. Dazu gesellt sich eine entfernte Männerstimme in einem fast unwirklichen Raum, was charakteristisch für das ganze Stück ist. Und das Ganze passiert, bevor das Rhodes überhaupt mit seinem Motiv beginnt.
Nun galt es, die Nerven nicht zu verlieren und der Musik ihren langen Atem zu gönnen, wie es das dazugehörige Bild erfordert, in dem die fliegenden Vogelschatten wie eingefroren erscheinen.
Motive akustischer Gitarren und Männerstimmen wechseln sich in der geduldigen Beobachtung der Szene ab, bevor eine rhythmische Bassfigur kurz Bewegung in die Szene bringt. Doch das Pendel schwingt nur kurz aus und kehrt in seine ruhige Ausgangslage zurück. Tiefe Streicher auf ausgehaltenen Tönen bestätigen die Rückkehr der Ruhe. Dezente Bläsergeräusche bringen lediglich eine neue Farbe ins Spiel. Dann erklingt erstmals ein elektronisches Blasinstrument (EWI) mit flötenartigem Timbre, das von da an die Führung übernimmt.
Das auf einem House-Stil basierende Schlagzeug strukturiert das ansonsten musikalisch eher eindimensionale Stück.
Die Musik wird durch das Zusammenspiel und die kontinuierliche Steigerung der Klänge bestimmt und erhält gegen Ende durch die Melodiebögen von EWI zusätzliche Dynamik, bis sich die Klanglandschaft von Anfang bis Ende wieder auf derselben rhythmischen Bassfigur aufbaut.
Gedanken (Buch)
Es gibt Welthits, die nur aus der Not heraus veröffentlicht wurden. Früher war es bei der Produktion eines Albums gängige Praxis, mehr Songs aufzunehmen, als auf eine Scheibe passten. Die Musiker und Produzenten erinnerten sich noch an die Umstände der Songentstehung, als entschieden wurde, welche Songs letztlich auf das Album kommen würden. Bevorzugt wurden die Songs, die flüssig aus der Feder aufs Band flossen. Die sperrigen Produktionen wurden oft einfach verworfen. Manchmal gab es weniger flüssig geschriebene Songs als sperrige. Manche dieser sperrigen Produktionen wurden später zu Welthits.
Ich glaube nicht, dass „Mystic Land“ ein weltweiter Hit wird, aber es gehört in die Kategorie, die ich gerade beschrieben habe.
Der Song widerspricht allen gängigen Kriterien zur Beurteilung eines gelungenen Popsongs. In der ersten Minute passiert so gut wie nichts, auch die musikalische Entwicklung im weiteren Verlauf des Songs ist überschaubar.
Dennoch passt die Musik zum entsprechenden Bild. Auch dort „passiert“ fast nichts und dennoch erzeugen Bild und Musik eine ambivalente, herausfordernde Stimmung. Diese Stimmung ist geheimnisvoll und will in aller Ruhe erkundet werden. Sensationslustig ist sie nicht!
Allerdings ist Meditation auch nicht sensationell, denn sie basiert auf Aufmerksamkeit, die dazu neigt, sich auf transzendentale Dinge zu konzentrieren.
Feiertags-Sonnenaufgang
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Dieses Lied ist eines von denen, die recht geschmeidig aus der Feder kamen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ich die richtigen Musikschnipsel recht schnell gefunden habe. Und dann waren da noch die Trompetenklänge, deren Qualität ich als ehemaliger Profi-Trompeter besonders gut beurteilen konnte.
Dann gesellte sich auch noch Genosse Zufall zum kreativen Prozess. Wie schon zuvor suchte ich zunächst nach dem passenden Foto. In diesem Fall fiel mir ein Foto auf, das sich bereits auf meinem Computer-Desktop befand. Woher es kam, wusste ich nicht.
Während ich an dem Song arbeitete, kam mein Sohn Moritz kurz vorbei und ich zeigte ihm freudig das gefundene Foto. Er war überrascht: „Das kenne ich doch. Das ist das Resort in der Dominikanischen Republik, in dem ich gerade Urlaub gemacht habe! Das habe ich selbst gemacht oder es ist ein Foto von unserem Freund, der leidenschaftlicher Hobbyfotograf ist.“
Wir rätselten noch, wie es auf meinen Desktop gelangt war und diskutierten über die Rechte an den Archivfotos, die ich sonst verwendet hatte. Er rief den Freund an, der netterweise sofort seine Erlaubnis erteilte.
Wie das Foto auf meinen Desktop gelangt ist, konnte nie geklärt werden.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Die Sonne geht hinter dem Schlafzimmertrakt einer kleineren Ferienanlage auf, deren Gebäude flach sind – offensichtlich ein exklusiveres Resort. Dafür spricht auch der riesige Pool, der aus Sicht des Fotografen vor dem Gebäude liegt und in dessen noch ruhigem Wasser sich die Szenerie perfekt spiegelt.
Dicke Kumuluswolken ziehen über den Himmel und versprechen einen sonnigen Tag. Am Beckenrand warten drei große Bälle darauf, von den Urlaubsgästen im Wasser bespielt zu werden.
Auf der linken Seite des Bildes ist eine üppige Grünfläche zu erkennen. Einige Blätter der Bäume, die in das helle Licht der aufgehenden Sonne ragen, lassen Palmen erkennen.
Das Foto leuchtet in einem sonnigen Gelb, im Kontrast zum Blau des zwischen den Wolken sichtbaren Himmels – die Szene ist gesetzt. Noch ist niemand zu sehen. Entweder schlafen die Gäste noch oder sie befinden sich im Frühstücksraum.
So stellen sich wohl die meisten einen gelungenen Urlaub vor. Nun kann man sich über dieses Muster eines gelungenen Urlaubs lustig machen oder das angenehme Gefühl ernst nehmen. Ich habe mich für die zweite Möglichkeit entschieden, denn Gefühle mögen zwar auf fragwürdigen Mustern beruhen, für den Menschen, der sie erlebt, sind sie jedoch immer real.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Schon die Originalmusik begann mit einem heiteren Motiv aus Zupfinstrumenten – im Musikerjargon „Pizzicato“ genannt. Das reichte aus, um den Entschluss zu fassen, es bei einer heiteren Grundstimmung des Liedes zu belassen.
Die Vorfreude auf einen schönen Urlaub ist so eine Stimmung. Also mischte ich zunächst das vermeintliche Plätschern des Pools unter dem Einfluss der Umwälzpumpen und das Vogelgezwitscher dazu.
Dann setzen verschiedene Frauenstimmen ein, die den rhythmischen Aufbau mit eher beiläufigen Motiven begleiten. Dieser Aufbau bricht in einem sogenannten „Drop“ ab und die gesamte Band beginnt zu spielen.
Nun antworten die Männer auf den eher zurückhaltenden Auftakt der Frauen mit Motiven, die viel konkretere Freude ausdrücken. Vielleicht freuen sie sich auf das wilde Spiel mit den Riesenbällen. Auf dem luftigen Groove des Liedes entwickelt sich ein musikalisches Wechselspiel zwischen den Männerstimmen und einem Trompetensatz10 . Dieses Spiel ist ein traditionelles Stilmittel aus der afrikanischen Musik und wird „Call and Response“ genannt.
Ein weiterer Drop, der zunächst nur von den Pizzicato-Streichern und den Klängen der Natur gespielt wird, leitet den zweiten Hauptteil des Songs ein. Eine kontrarhythmische Bassfigur bringt Spannung in den Drop, bevor sich die Spannung in einer ausgehaltenen Melodie löst, die eindeutig von einer elektronischen Klangquelle stammt, aber an Streicher erinnert.
Wieder einmal reagiert die Trompetensektion auf die Melodie, und dieses Spiel wird noch einmal wiederholt. Das Lied klingt dann langsam mit dem Eröffnungsmotiv der Pizzicato-Streicher und den Geräuschen der Natur aus.
Gedanken (Buch)
Es scheint paradox, ernsthaft über dieses völlig „harmlose“ Lied nachzudenken, und doch tue ich es jetzt.
Vor diesem musikalischen Projekt hatte ich bereits über hundert Popsongs veröffentlicht. Jede Veröffentlichung wird von einer mehr oder weniger aufwändigen Marketingkampagne begleitet, zu der auch die Präsentation der Arbeit vor Kuratoren gehört. In unserem Fachvokabular heißen sie „Doorkeeper“, weil sie die Verbreitung eines Songs fördern oder durch Ignoranz behindern können.
Von diesen Kuratoren erhält der Künstler häufig Feedback. In meinem Feedback kommt das englische Wort „weird“ auffallend oft vor – strange, weird, crazy. Der unvoreingenommene Hörer mag meine Songs zwar ungewöhnlich, aber nicht schräg finden, denn sie bestehen zum Großteil aus Standard-Versatzstücken der Popmusik.
Natürlich ist die leichte Grenzüberschreitung meiner eklektischen elektronischen Musik für viele Hüter musikalischer Schubladen schon zu viel. Innovation ist jedoch eine der Haupttugenden der Kunst. Menschen, die Kunst kuratieren, sollten dies eigentlich verinnerlicht haben, denn sie sollten Experten auf ihrem Gebiet sein. Wenn sich ihre Expertise darauf beschränkt, den Status Quo immer wieder zu zementieren, dann mache ich mir Sorgen um die Zukunft der Kunst.
Allerdings hat es immer auch reaktionäre Musikkritiker gegeben, die ihren Expertenstatus mit Musikwissenschaftsabschlüssen untermauert haben. Wir Künstler machen also einfach weiter – nur unserem Gewissen verpflichtet.
Sanfte Lichter
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Der Witz zuerst – „Gentle Lights“ wurde unter dem Metatitel „Gentl Lights“ veröffentlicht. Mir ist einfach ein Fehler unterlaufen. Das ist mir erst aufgefallen, als der Song bereits 3000 Streams hatte.
Zuvor hatte mich der Filmtitel „Yentl“ (von und mit Barbra Streisand) im Dunkeln gelassen. Ihn nach der Veröffentlichung zu korrigieren ist aufwändig, deshalb habe ich es vorerst dabei belassen.
Der eigentliche Witz ist jedoch, dass dies gemäß den Vorschriften der Plattformen, wonach der Titel auf dem Cover mit dem Metatitel übereinstimmen MUSS, überhaupt nicht hätte passieren dürfen. Der Fehler wurde inzwischen behoben.
Erwähnenswert ist auch, dass mich dieser Song beim Mixen37 und Mastern fast in den Wahnsinn getrieben hat. Entgegen meiner üblichen Produktionsweise waren viele Spuren zu berücksichtigen, die sich in den Frequenzen überlagerten. Wenn ich heute das Ergebnis meiner Bemühungen höre, denke ich immer an die akribische Arbeit, die darin steckt.
Kunst ist nicht immer nur kreativ, sondern manchmal auch harte Arbeit. In diesem Fall bestand die Arbeit aus dem musikalischen Handwerk, eigenständige Stimmen von Klangfarben zu unterscheiden. Das macht einen großen Unterschied und ist eine Fähigkeit, die zum Beispiel Dirigenten großer Orchester beherrschen.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Abgesehen davon, dass heutzutage fast jeder Fotograf seine Fotos digital bearbeitet, handelt es sich hierbei um ein „echtes“ Foto.
Wir blicken von einem Weinberg auf die Landschaft unter uns. Die tief stehende Sonne strahlt hell am Horizont – eine sogenannte Gegenlichtaufnahme. Darüber ein bonbonfarbener Himmel mit Wolkenformationen, die die Sonne geradezu einrahmen.
Das Licht der Sonne ist keineswegs „sanft“, aber es taucht die frühherbstliche Landschaft in dieses Licht. Nebel steigt aus dem Wald auf und macht die Sonnenstrahlen sichtbar. Die Reben und Bäume werfen scharfe Schatten.
Der Herbst hat einige Blätter bereits rostrot gefärbt. Am linken Bildrand sind auf einem Hügel Häuser zu erkennen. Fast in der Bildmitte ragen auf einem weiteren Hügel zwei einsame Pappeln in den Himmel. Am rechten Bildrand ist in der Ferne eine Bergkette zu erkennen. Die Stimmung ist sehr friedlich.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Bei der Arbeit mit den lautmalerischen Liedfetzen wurde mir wieder einmal bewusst, dass gesprochene (und erst recht gesungene) Sprache nur im Kontext Sinn ergibt. Papageien können Sprache auch imitieren, ohne ihr bewusst eine Bedeutung beizumessen.
So beginnt das Lied beispielsweise mit dem Ausruf einer männlichen Gesangsgruppe, der zwar an das englische „chain“ erinnert, aber weder im Kontext des Titels oder Fotos noch für sich allein genommen Sinn ergeben würde. Von sprachlichen Interpretationsversuchen kann bei diesem Lied also komplett abgesehen werden.
Nach dem Vorspiel mit den „Chain Calls“ wird das harmonische Gerüst geschaffen. Die Männergruppe setzt im mehrstimmigen Gesang schöne Akzente. Nun baut sich mit zusätzlichen Schlaginstrumenten ein entspannter, aber intensiver Groove auf. Darüber entwickelt sich ein „Call and Response“ aus Männerstimmen und synthetischen Instrumenten, das an eine Gruppe elektrifizierter Cembali und ein elektrifiziertes Hackbrett erinnert.
Neben vielen „Ohs und Ahs“ der Männerstimmen taucht auch immer wieder unsere „Kette“ auf. Mangels einer Interpretation des Wortlauts [tʃeɪn] hat hoffentlich jeder Hörer seine eigene Interpretation gefunden.
Und das war es auch schon. The groove10 hält die Spannung bis zum Schluss aufrecht, ohne dass es neuer kreativer Elemente bedarf.
Gedanken (Buch)
Als erfahrener Musiker habe ich das Motto „weniger ist oft mehr“ verinnerlicht. Die größte Gefahr bei der Produktion elektronischer Musik ist die schier unendliche Vielfalt an Möglichkeiten. Schnell wird ein Soundtrack nach dem anderen hinzugefügt. Bei der Produktion von Mainstream-Popmusik sind es oft nur hunderte winzige Klangschnipsel, die den Gesamtsound unverwechselbar machen sollen. Leider gelingt dies nur wenigen Meistern ihres Fachs. In vielen Produktionen entsteht so nur ein einheitlicher Mischmasch.
Als klassisch ausgebildeter Musiker denke ich noch immer in den Stimmen einer Orchesterpartitur. Die Frage ist immer: „Gibt es an dieser Stelle noch etwas zu sagen?“ Bei einem traditionellen Popsong ist das eigentlich mit wenigen Stimmen erledigt. Als Referenz empfehle ich den Vergleich der Originalversion (Let it be – Naked) des Beatles-Albums mit der später verbesserten Version (das war die offizielle Veröffentlichung) von Produzent Phil Spector. Natürlich ist das Geschmackssache der Mehrheit, die sicherlich zum Beschönigen neigt, aber die Originalversion „sagt eigentlich alles“.
Bei „Gentle Lights“ sah ich keine Notwendigkeit, weitere Gestaltungselemente einzubauen, aber um die Spannung (inkl. Aufbau und Abbau) durch Groove aufrecht zu erhalten, waren zusätzliche Stimmen nötig. Da die Basis jedoch bereits mit Drums und Bass in recht hoher Frequenz besetzt war, musste es an dieser Stelle zu Überlappungen kommen. Dies führte zu den oben beschriebenen tontechnischen Herausforderungen.
Lust auf Tanz
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Die Inspiration für die Geschichte von „Tanzlust“ wurde durch das Foto nicht nur ausgelöst, sondern nur konkretisiert. Mir war von Anfang an klar, dass es eine Tanznummer im klassischen Sinne des Tanzens werden würde. Das heißt, der Herr fordert eine Dame zum Tanz auf. Die Frage war nur, wo das heute noch passiert. Dann fiel mir eine Dokumentation über öffentliche Tanzflächen unter freiem Himmel ein, die wie eine Kontaktbörse für Alleinstehende jeden Alters funktionieren. Sie waren verwitwet oder hatten sonst Pech in der Liebe.
Nachdem ich das Foto eines kleinen Platzes in Palermo in den frühen Abendstunden gefunden hatte, war die Zeit der Geschichte bereits erzählt. Ich wählte den Blick auf die Frauen, bevor sie sich auf den Weg zur Tanzfläche machten. Für sie war die Hoffnung auf einen vergnüglichen Abend eine passive Angelegenheit, da es nicht angebracht war, aktiv zu werden. Mehr Sehnsucht geht nicht – eine fast schmerzhafte Sehnsucht. Eine altmodische Interpretation des modernen House-Stils – perfekt eklektisch.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Früher Abend in Palermo. Die Straßenlaternen sind bereits voll eingeschaltet, doch der noch dunkelblaue Himmel verrät, dass es noch nicht dunkel ist. Im Vordergrund ist die Hälfte eines gepflasterten Kreisverkehrs zu erkennen. Er wird von hellen Scheinwerfern beleuchtet und bunte, schon etwas verblichene Fahnen säumen die runde Tanzfläche.
Einzig zwei Männer am rechten Bildrand, die am Platzrand sitzen, und zwei vorbeifahrende Autos beleben das Bild. Ansonsten sind weder auf der Straße, die den Platz umrundet, noch auf der Straße, die vom Platz in die Tiefe des Bildes führt, Menschen zu sehen. Bunte Leuchtreklamen und Pergolen lassen darauf schließen, dass Restaurants noch auf abendliche Gäste warten.
Die späteren Tänzer bereiten sich vermutlich noch in ihren Flats auf den Abend vor. Die Frauen sind vielleicht noch beim Schminken und die Männer prüfen ihr Aussehen im Spiegel.
Die vielen Lichter lassen die Szenerie trotz der Menschenleere sehr einladend wirken. Man spürt noch die Wärme des Tages und freut sich auf die kühlere, lebhaftere Nacht. Der Platz ist gesäumt von mächtigen Bäumen, deren Äste wie ein schützendes Dach über die Tanzfläche ragen.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Analog zur Vorstellung, dass die Musik in der Fantasie der Frauen erklingt, beginnt das Lied mit einem anschwellenden Bassrhythmus. Mysteriöse Geräusche unterstützen die Vorstellung.
Dann erklingen die Gesangsmotive der Frauen, voller freudiger Erwartung. Ein Klavier antwortet mit bestätigenden Akkorden. Ja, heute klappt es mit dem Mann der Träume – „Something so good“. Scheinbar nebensächlich wird eine einfache Tonleiter in La-la-la eingeworfen – bloß nicht die innere Anspannung zeigen. Eine andere Stimme kommentiert jedoch deutlich für den Zuhörer: „Lonely girl“.
Die ganze Rhythmusgruppe stimmt ein und der fantastische Tanz beginnt. Jetzt sind die Männer an der Reihe. Ein betörender mehrstimmiger Gesang verströmt liebevolle Wärme – dann eine einzelne Stimme: „Baby, Baby, ich bin noch immer in dich verliebt.“ Ja, genau das wollen die Frauen hören!
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Körper wirbeln über die Tanzfläche und Solo-Gitarrenmotive heizen die Stimmung an. Es heißt, tief durchzuatmen und sich noch einmal in die Augen zu schauen. Es folgt ein lautmalerischer Dialog zwischen männlichen und weiblichen Stimmen. Die Musik bricht ab und in einem Drop ist das Echo der Musik zu hören, zusammen mit dem verräterischen Rauschen, das die Illusion kennzeichnet.
Doch nein – es ist doch kein Traum, denn die Männer wiederholen ihre Beteuerungen mit aller Inbrunst. Eine schöne Melodie bestätigt das angenehme Gefühl der Frauen.
Doch dann endet der Traum. Ein ähnlicher Bassrhythmus wie am Anfang ertönt und verschwindet langsam. Die Musik verstummt und das vertraute, geheimnisvolle Gemurmel verhallt im Nichts.
Gedanken (Buch)
Ich kann mich an kein anderes eigenes Lied erinnern, das mich so mitgerissen hat wie „Dance Desire“. Ich war von meiner eigenen Vorstellungskraft überwältigt. Einsamkeit und Verlangen sind hochemotionale Dinge. Ich habe immer noch einen natürlichen Abwehrmechanismus namens Ironie in meinem emotionalen Werkzeugkasten. Aber er funktioniert nur, wenn es um meine eigenen Gefühle geht.
In diesem Fall waren Empathie und Romantik einfach stärker. Als das Lied zu Ende war, musste ich tatsächlich weinen. Wir müssen oft weinen, wenn wir Gegensätze nicht mehr ertragen können. Auf der einen Seite ist die Schönheit der Schöpfung und auf der anderen der ganze Mist, den wir ständig ertragen müssen – Krieg, Gier, Verlust geliebter Menschen und so weiter. Wut und Verzweiflung mischen sich mit Hoffnung, die wiederum so oft enttäuscht wird. So ist Weinen auch Ausdruck eines unstillbaren Verlangens nach Versöhnung der Gegensätze.
Auch wenn es sich hier nicht um ein philosophisches Buch handelt, gestatten Sie mir dennoch einige Querverweise. Den Grundcharakter der hier präsentierten Musik habe ich bereits als eklektisch bezeichnet, was im weitesten Sinne bedeutet, dass unterschiedliche Dinge (Musikstile, musikalische Elemente) ohne Rücksicht auf Konventionen zusammengeführt werden.
Vom Grundgedanken des Zusammenführens her ist auch die Philosophie Baruch de Spinozas in gewissem Sinne eklektisch. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Albert Einstein Spinozas Gott anrief, schließt sich für mich der Kreis. Es wäre vermessen zu sagen, es handele sich um Kreise tiefer Erkenntnis, aber in jedem Fall verlangen sie größtmögliche Offenheit des Geistes und verbieten geschlossene Ideologien. Nur so konnte Einstein entdecken, was vorher ein Rätsel war.
Vielleicht sollten wir mehr weinen, um eine Verbindung mit Gott (was auch immer das ist) herzustellen.
Heirate mich
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Sobald ein kreativer Prozess in Gang gesetzt wird, schießen die Gedanken über die Bühne. Beim Anhören des Grundstücks erklangen in meiner Vorstellung kraftvolle Blechblasinstrumente – eine Erinnerung aus meiner Zeit als Orchestertrompeter. Solche Blechblassätze erklangen oft in Kirchen anlässlich einer Hochzeit.
Die Verbindung mit „Hochzeit“ setzte die Szenerie. Das Leitmotiv „Sehnsucht“ verbot geradezu, die Hochzeit selbst als Geschichte zu etablieren. Die Hochzeit war daher nur Teil einer männlichen Fantasie im Wunsch nach der idealen Braut.
Das Foto erledigte den Rest. Der Mann stellt sich seine Traumbraut vor und huldigt ihr. Die idealisierte Braut ist bereit und haucht: „Heirate mich“. Leider existiert sie nicht, sondern wartet als Zerrbild in einer surrealen Kulisse im Wald auf den Bräutigam.
Sie trägt bereits das prachtvolle Brautkleid und ist wunderschön.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Wir befinden uns im Wald. Im unteren Vordergrund ist der Waldboden einer Lichtung unscharf zu erkennen. Das Gelände steigt leicht an und hinter der kleinen Kuppe beginnen die Bäume. Im Bild ist die erste Baumreihe scharf zu erkennen.
Es handelt sich um einen Fichtenwald, im oberen rechten Bild sind aber auch Blätter eines Laubbaums zu sehen. Alle Bäume stehen sehr gerade, wie das bei Fichten üblich ist. Nur ein Baum auf der linken Bildseite wölbt sich zum Himmel. Seitlich versetzt hinter diesem Baum steht eine Braut.
Sie beugt sich leicht nach hinten und ihre linke Hand umfasst den schmalen Baumstamm. Ihr rechter Arm ist angewinkelt und ihre Hand berührt ihren Haaransatz. Diese Haltung nimmt man ein, wenn man seine Augen vor der Sonne schützen möchte und dabei in die Ferne blickt. Die Braut blickt tatsächlich in die Ferne, aber es gibt keine Sonne und ihre Handfläche ist nachdenklich nach oben gedreht.
Hochgesteckte Haare, Make-up und ein prächtiger Ohrring verraten den festlichen Anlass. Ihre helle Haut ist makellos und der obere Teil wird nur von einem einzigen diagonalen Träger des Brautkleides bedeckt. Ein silberner Metallgürtel umschließt ihre Taille und der Rock des Kleides entfaltet sich wie eine Glocke zum Boden. Ihre Füße verschwinden hinter dem kleinen Hügel. Die Braut scheint gegen die Dunkelheit des Waldes zu leuchten. Eine scheinbar unwirkliche Lichtstimmung.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Das Tempo des Songs wird durch spärliche Percussion-Klänge vorgegeben. Verzückte Frauenstimmen sorgen für eine geheimnisvolle Atmosphäre und ein orgelähnlicher Synthesizer setzt die ersten Akkorde. Die Bassdrum setzt ein und spielt auf allen vollen Takten die für House-Musik typischen Beats.
Nun beginnt eine Männerstimme mit der Botschaft, dass er weiß, dass er die Frau in seiner Fantasie liebt. Er fordert sie auf, ihm zu sagen, was sie will und was sie braucht („Sag mir, was du willst, was du brauchst – sag mir – sag mir“. Kein Wunder, wenn man sie gar nicht kennt, denn sie ist eine Traumfigur. Im Hintergrund sind immer wieder die entrückten Frauenstimmen zu hören, die dem Mann noch mehr den Kopf verdrehen.
In einem Zwischenspiel wechseln rockige E-Gitarren zwischen den Stereokanälen. Jeder Einsatz wird durch den Wunsch des Mannes abgeschlossen: „Noch einmal“. Der Traum soll nicht enden. Darauf folgt ein kraftvoller Bläsersatz – wie zum Einzug des Paares in die Kirche.
In einem weiteren Zwischenspiel erklingen die Stimmen von Mann und Frau erneut ohne Worte. Was hätten sich Traumfiguren wohl zu sagen? Stattdessen spielen die Bläser erneut – Heirate mich!
Eine feierliche und ebenso entrückte Synthesizermelodie untermalt die Märchenszene, bevor Mann und Frau am Ende noch einmal in einen kargen und sehnsüchtigen, wortlosen Dialog treten. Ganz am Ende bleibt der Anruf des Mannes in einer Schleife hängen. Es bleibt ein Traum.
Gedanken (Buch)
Letztlich sind alle Lieder Ausdruck einer großen Traurigkeit. Selbst die heiteren Titel führen nie zu einem Abschluss – denn meine erdachten Geschichten wollen – ja können es nicht. Die beschriebenen Szenen sind einfach zu perfekt. Die besungenen Landschaften und Liebesszenen sind zu schön, um wahr zu sein.
Wir wissen einfach aus Erfahrung, dass keine Landschaft so schön ist wie der Ausschnitt einer Fotografie. Genauso wie es keine menschlichen Beziehungen gibt, die frei von Spannungen sind. Doch genau das kann Kunst zusammenbringen. Kunstwerke enthalten alles gleichzeitig. Kunstwerke können für den Betrachter oszillieren – sie sind gleichsam Wunderwerke.
Schmerz, Trauer, Glück, Schönheit und Schmutz in einem – so vielfältig wie unsere Natur. Das wahre Glück der Freiheit findet sich nur im Ganzen. Wenn wir unseren Geist für diese Erkenntnis öffnen, haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Lebensfreude getan.
Gospel-Zug
Ausgangspunkt der Verarbeitung
Im Grundtrack dieses Songs war bereits ein Gospelchor enthalten. Damit war das Thema schon vorgegeben. Also machte ich mich auf die Suche nach einem passenden Foto. Merkwürdigerweise gibt es in den Archiven, die auch Lizenzen vergeben, nur wenige Fotos mit Gospelchor.
Dann habe ich meine Suche auf „Gott/Glaube“ geändert und bin fündig geworden – mit einem Volltreffer. Zum Zeitpunkt des Schreibens ist „Gospel Train“ der meistgehörte Song des Albums. Wenn ein Song mehr Hörer hat als der Durchschnitt aller Songs, liegt es am unabhängigen Künstler oder Musiklabel, nach den Ursachen zu suchen, denn wir sind auch unsere eigenen Manager.
Für den Künstler selbst sind alle veröffentlichten Titel gleichwertig, aber auch er hat seine Lieblingstitel. In den drei Jahren, seit ich wieder angefangen habe, Musik zu machen, sind es nie wirklich meine Lieblingstitel, die überdurchschnittlich oft gehört werden, aber das ist nicht ungewöhnlich. Wir tragen das ganze Wissen über die Idee und Entstehung in uns, während der Hörer nur das Ergebnis wahrnimmt. Das sind unterschiedliche Sichtweisen.
„Gospel Train“ gehörte zunächst nicht zu meinen Lieblingstiteln, aber nachdem ich ihn noch einmal genau analysiert habe, weiß ich, warum ich ihn mag. Die folgenden Einzelheiten werden es dem Leser auch deutlicher machen.
Coverfoto + Stimmungsbeschreibung (Buch)
Wir befinden uns in einer Kirche und das Foto ist von oben aufgenommen worden. Vermutlich von einer Empore aus, wo sich vielleicht die Orgel befindet. Ich kenne diesen Anblick, da ich selbst viele Jahre als Kirchenmusiker tätig war. Den Hinweis auf eine Kirche liefert der Schnitt einer prachtvoll geschnitzten Kirchenbank aus rötlich schimmerndem Holz.
Der beigefarbene Fliesenboden wurde vermutlich bei einer Restaurierung verlegt. Auch die Kirchenbank scheint in einen neuwertigen Zustand gebracht worden zu sein. Tageslicht fällt durch ein nicht sichtbares Kirchenfenster. Die scharfen Schatten lassen auf eine frühe oder späte Tageszeit schließen. In jedem Fall fällt das Licht in einem flachen Winkel durch das Fenster. Die Lichtsituation ist äußerst ruhig und naturalistisch, da das Tageslicht nicht durch farbiges Fensterglas gefärbt wird.
Im Zentrum des Bildes ist eine dunkelhäutige Frau zu sehen, die betet. Zwischen ihren Fingern baumelt eine zarte Kette mit einem Kreuz, was eine christliche Haltung suggeriert. Da die Frau Pantoffeln an den Füßen trägt und auch sonst keine Hinweise auf einen Gottesdienst zu erkennen sind, scheint es sich um einen kurzen Abstecher für ein stilles Gebet zu handeln.
Eine über den Kopf geworfene Jacke suggeriert die typische Kühle eines Gotteshauses. Langes, dunkles, glattes Haar fällt über die Jacke, unter der ein weißes Oberteil sichtbar ist. Das weiße Oberteil ist der einzige Farbakzent in einem Meer aus Beige- und Brauntönen. Das Gesicht der Frau strahlt innere Ruhe aus.
Die Musik
Interpretation von Musik (Buch)
Zusammen mit ein paar Klavierakkorden und einer luftig-dunklen Flöte setzt sofort eine Frauenstimme ein, die etwas zu sagen scheint. Für mich als deutsche Muttersprachlerin ist sie unverständlich, selbst als versierter Englischhörer. Wie ich aber schon früher diskutiert habe, ist das bei allen Liedern irrelevant. Es kommt auf die Stimmung an, und die passte zu der betenden Frau auf dem Foto.
Nun setzt erstmals der Gospelchor mit einem Kommentar ein. Das Motiv des Gospelchors wiederholt sich innerhalb des Liedes mehrfach und stellt somit ein Leitmotiv dar.
Während sich der House-Rhythmus etabliert, verwandeln Frauenstimme und Flöte die Harmonien in melodische Fragmente. Eine längere Melodie wird nun von synthetischen Streichern vorgetragen. Im Hintergrund setzt der Gospelchor Akzente.
In einem Drop erklingt nun eine an Blues erinnernde Mundharmonika. Eine Schicht mit Streichern und glockenähnlichen Klängen legt darüber eine kleinere Melodie. Nach einem weiteren Drop übernimmt die Flöte (von mir gespielt mit einem EWI) die Führung.
Mit einem rhythmischen Motiv aus verschiedenen Schlaginstrumenten klingt das Lied aus. Ein rhythmisches Synthesizer-Motiv ergänzt die Perkussion. Während der Synthesizer verklingt, sagt die Frau in einem Sprechgesang – erstmals klar verständlich: „I've got the feeling“.
Gedanken (Buch)
Meine Beziehung zu Gott hat sich im Laufe meines Lebens mehrmals verändert. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als mir klar wurde, dass ich eines Tages sterben muss. Ich war 11 Jahre alt und es geschah, bevor ich einschlief. Ich brach in Tränen aus und dachte von da an über den Sinn des Lebens nach.
Mir wurde klar, dass ich diesen Sinn im Schulalltag und beim Spielen auf dem Schulhof nicht finden würde.
Als angehende Konfirmande der evangelischen Kirche begann zu dieser Zeit der Konfirmandenunterricht. Die Wirkung dieses Unterrichts hängt – wie im Schulunterricht – von der Eindringlichkeit des Lehrers ab. Glücklicherweise hatte ich einige sehr gute Lehrer. Auch der Pfarrer unserer Gemeinde war eine beeindruckende Persönlichkeit. So wurde ich ein junger Gläubiger.
Aus diesem Glauben entwickelte sich im Laufe vieler Jahre ein grundlegendes Vertrauen in Gott, das mich bis heute begeistert. Die institutionalisierten Religionen lösten sich jedoch nach und nach völlig von diesem Vertrauen in Gott. Dafür haben die Kirchen zu viel Böses in diese Welt gebracht. Für mich sind die Religionen durch den Wunsch nach Transzendenz ersetzt worden.
Betende oder meditierende Menschen symbolisieren für mich diesen Wunsch. Sie können sich irren, aber wer tut das nicht? Solange diese Menschen auf der Suche nach innerem und äußerem Frieden sind, sind sie mir willkommen. Jegliche Beeinflussung durch andere hat bei dieser Suche keinen Platz. Einer Gemeinschaft von Suchenden sollte daher immer mit größter Vorsicht begegnet werden. Die Grenzen zur Manipulation und Unterdrückung Andersdenkender sind fließend.
Demut ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg der Suche. Allerdings gilt auch hier das Prinzip der Widersprüche in unserem Leben. Da die Welt voller leidenschaftlicher Manipulatoren ist, sollte Demut mit Resilienz gepaart werden. Ein offener Geist entfaltet sich am besten in einer undefinierbaren Mitte.